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Insights 28.05.2025

Smar­te Tech­no­lo­gie statt Voll­sa­nie­rung: So ge­lingt die Wär­me­wen­de im Be­stand

Marc Pion

Ein Gespräch mit Sascha Müller, Gründer und Vorstandsvorsitzender von PAUL, über Stranded Assets, Technologie, Wärmepumpen und Fernwärme.

Herr Müller, was macht eine „grüne“ Immobilie wirklich aus?

Sascha Müller: Oft wird „grün“ mit guter Dämmung und Energieeffizienz gleichgesetzt. Doch eine Immobilie wird erst dann wirklich klimaneutral, wenn sie nicht mehr zur CO₂-Bilanz beiträgt. Vor uns liegt eine gewaltige Aufgabe: Rund 100 Millionen Tonnen CO₂ müssen allein im Gebäudesektor bis 2045 eingespart werden – so die Prognose des Umweltbundesamts. Der wesentliche Schlüssel dazu liegt im Heizungskeller, denn 80 % der Emissionen entstehen durch die Wärmeversorgung – überwiegend aus fossilen Quellen wie Öl und Gas.

Der größte Hebel für die Dekarbonisierung liegt daher im Ersatz dieser fossilen Heizsysteme durch Technologien auf Basis erneuerbarer Energien. Wissenschaftliche Studien, etwa des Fraunhofer ISE, zeigen: Der Wechsel zu Wärmepumpen senkt den Primärenergiebedarf signifikant und macht Gebäude fit für Net-Zero-Ziele. Im Vergleich dazu sind großflächige Dämmmaßnahmen oft teurer, greifen langsamer und adressieren nicht die eigentliche Ursache der Emissionen.

 

Viele Bestandsgebäude in Deutschland drohen zu sogenannten Stranded Assets zu werden. Was läuft schief?

Sascha Müller: Das größte Problem im Gebäudesektor ist, dass wir versuchen, ihn mit Rezepten von gestern zu dekarbonisieren. Vollsanierungen sind nicht nur teuer, sie treiben die Mieten in eine Richtung, die sozialpolitisch kaum vertretbar ist. Eine Dämmung kostet schnell bis zu 1.200 Euro pro Quadratmeter – bei Bestandskaufpreisen von 1.000 bis 1.400 Euro pro Quadratmeter ist das schlicht nicht darstellbar, ohne die Mieten massiv zu erhöhen. Gebäude sollten bedarfsgerecht saniert werden, wenn Bauteile zur Erneuerung anstehen, nicht früher.

 

Und PAUL Tech geht einen anderen Weg?

Sascha Müller: Ja, wir setzen auf intelligente Technologie statt Komplettsanierung. Wir können Mehrfamilienhäuser CO₂-neutral beheizen – ganz ohne Eingriffe in die Gebäudehülle. Das spart nicht nur enorme Investitionen, sondern bewahrt auch die Bezahlbarkeit des Wohnens. Unsere Wärmelösungen basieren auf einer Kombination aus KI-geregelter Heizungssteuerung, Wärmepumpen und – wenn sinnvoll – Photovoltaik. Der große Vorteil: Die Betriebskosten bleiben stabil, die Energieeffizienz steigt. Und das Beste: Mieter wie Eigentümer werden vor Belastungen durch steigende CO2-Kosten geschützt.

 

Wie funktioniert das konkret?

Sascha Müller: Unsere KI analysiert in Echtzeit die Gebäudedaten, die wir auf Basis von rund 160.000 Wohneinheiten gesammelt haben. Diese Datenbasis ermöglicht es uns, den Energiebedarf eines Gebäudes präzise zu prognostizieren und die Heizsysteme optimal zu steuern. Aus einer Kilowattstunde Strom erzeugen unsere Systeme im Schnitt drei Kilowattstunden Wärme – ein COP von 3,0. Damit erreichen unsere Kunden regelmäßig eine Energieeffizienzklasse A.

 

Wie refinanzieren Sie das Ganze?

Sascha Müller: Ganz einfach: Wir ersetzen die bisherigen Heizkosten, die Mieter etwa für Gas oder Fernwärme zahlen. Mit diesem Cashflow refinanzieren wir unsere Technologieinvestition – ganz ohne Capex für unsere Kunden. Das geschieht im Rahmen eines langfristigen Contractings. Wir übernehmen die Verantwortung für die Technik, liefern grüne Wärme und senken CO₂ – sofort messbar und wirtschaftlich tragfähig.

 

Wie hängt die Energieeffizienz eines Gebäudes mit ESG zusammen?

Sascha Müller: Die Energieeffizienzklasse einer Immobilie ist inzwischen ein entscheidender ESG-Indikator – mit direkten Auswirkungen auf Marktfähigkeit und Bewertung. Immobilien mit schlechter Einstufung drohen zu Stranded Assets zu werden: Sie lassen sich kaum noch verkaufen, und wenn doch, dann nur mit massiven Preisabschlägen. In einem Umfeld steigender Zinsen und knapper Budgets ist das für viele Eigentümer eine reale Gefahr.

Unsere Lösung setzt genau hier an: Bis zu 40 % Heizkosteneinsparung und eine Verbesserung um zwei bis drei Energieeffizienzklassen – ganz ohne Eigenkapital unserer Kunden. Durch unsere Contracting-Modelle refinanzieren wir die Technik über die eingesparten Betriebskosten. So wird aus einer CO₂-Schleuder wieder ein marktfähiges Asset – und ein Beitrag zum Klimaschutz gleich mitgeliefert.

 

Stichwort Fernwärme. Wie bewerten Sie diesen Wärmeerzeuger und in dem Zusammenhang die aktuelle Diskussion um einen Preisdeckel für Fernwärme?

Sascha Müller: Fernwärme spielt eine zentrale Rolle in der kommunalen Wärmeplanung, doch der Umstieg auf erneuerbare Quellen sowie der Netzausbau sind teuer und vielerorts schwer umsetzbar – laut Prognos bis 2030 mit Investitionen von 43,5 Milliarden Euro verbunden. Dezentralere Lösungen wie Wärmepumpen sind häufig kostengünstiger, effizienter und ermöglichen eine eigenständige Versorgung, während Fernwärme nur dort eine gute Alternative bleibt, wo sie auf klimaneutralen Energien basiert.

Die Preisentwicklung bei Fernwärme ist völlig intransparent – und oft schlicht zu teuer. Viele Haushalte zahlen heute mehr als 20 Cent pro Kilowattstunde – das ist doppelt so viel wie bei Wärmepumpen. Ein Preisdeckel ist sinnvoll, um kurzfristig soziale Härten abzufedern. Langfristig brauchen wir aber Alternativen – und das bedeutet: dezentrale, steuerbare Systeme auf Basis erneuerbarer Energien. 

 

Es heißt oft, die Wärmepumpe hätte 2024 ein schwieriges Jahr gehabt. Was erwarten Sie für 2025?

Sascha Müller: Das ist richtig – 2024 war durch politische Unsicherheit und Zurückhaltung bei vielen Kunden geprägt. Aber 2025 sehen wir einen echten Schub. Die Nachfrage nach Wärmepumpen zieht wieder deutlich an. Und das zu Recht: Die Technologie ist da, sie ist bezahlbar, und sie spart sofort CO₂ ein. Wir sind aktuell in der Umsetzung von rund 30 Projekten, bis Ende 2025 wollen wir 20.000 Wohneinheiten auf Net Zero bringen. Und das ist nur der Anfang.

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