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Insights 09.10.2025

Vier un­be­que­me Wahr­hei­ten aus dem IW.2050 Pra­xis­be­richt 2024/2025

Jasmin Eckert

Die gängige Annahme lautet: Der Gebäudesektor hinkt seinen Klimazielen hoffnungslos hinterher. Doch der neue Praxisbericht 2024/2025 der Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) zeigt ein anderes, optimistischeres Bild: Der Sektor hat 2023 stark aufgeholt und seine Klimaziele nur nicht so dramatisch verfehlt wie oft anders zu hören. 

Wir haben vier überraschende Erkenntnisse aus dem Bericht extrahiert, die verdeutlichen, wo die wahren Hebel der Wärmewende liegen und welche strukturellen Hürden sie noch bremsen.

 

1. Die Branche liefert doch! Und das trotz massiver Hürden

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung erzielt die Wohnungswirtschaft deutliche Fortschritte bei der CO₂-Reduktion. 2023 sanken die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor um 7,5 % gegenüber 2022. Ein Beweis für die Umsetzungsstärke und Resilienz der Branche.

Diese Leistung ist umso bemerkenswerter angesichts der widrigen Rahmenbedingungen: hohe Homeoffice-Raten, angespannte Finanzlagen, Lieferengpässe sowie Fachkräftemangel.

Trotzdem bleiben die Ambitionen hoch. Die IW.2050-Partner planen, ihre Emissionen von 30,35 kg CO₂/m²/a auf 5,63 kg CO₂/m²/a bis 2045 zu senken und das bei einer defossilisierten Wärmeversorgung von 86 %.

 

2. Die unbequeme Wahrheit: Dämmung ist volkswirtschaftlich oft der falsche Weg

Der Bericht stellt eine zentrale politische Annahme infrage: Den Fokus auf immer höhere Dämmstandards. Eine im Bericht zitierte Studie von Nikolas Müller belegt: Ein „niedertemperaturfähiger“ Gebäudestandard (EH 115) erfordert 168 Mrd. € weniger Investitionen als der politisch favorisierte EH 55-Standard – bei gleicher Klimaschutzwirkung, wenn die eingesparten Mittel in erneuerbare Energien fließen.

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: „Das ist auch volkswirtschaftlich der günstigere Weg gegenüber dem Festhalten an der Dämmung der Gebäude.“ Das bedeutet: Nicht die Hülle, sondern Heiztechnik und Wärmenetze sind die effizienteren Stellschrauben. Jeder Euro, der in erneuerbare Wärme investiert wird, wirkt schneller und nachhaltiger für den Klimaschutz.

 

3. Gut gemeinte Regeln blockieren die Wärmewende

Viele politische und regulatorische Vorgaben bremsen die Branche, anstatt sie zu unterstützen. Der Bericht benennt drei zentrale Hemmnisse: 
 

(1) Ungerechte Förderung: Wohnungsunternehmen sind von Boni beim Heizungstausch ausgeschlossen (kein Speed- oder Sozialbonus). Das schwächt ihre Investitionskraft erheblich. Dies wird als ein Problem angesehen, da Investitionen u.a. in die Modernisierung des vermieteten Bestands, die diese Unternehmen tragen müssen, dadurch nicht ausreichend unterstützt werden.

(2) Fehlende Verbindlichkeit bei Wärmeplanung: Die kommunale Wärmeplanung bleibt häufig ein „Plan für die Schublade“. Wohnungsunternehmen gelten nur als „zu Beteiligende“, nicht als Umsetzungspartner. 

 



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(3) Fehlerhafte CO₂-Kostenaufteilung: Insbesondere bei Fernwärme liegen die berechneten Emissionskosten oft zwei- bis dreimal über den realen Werten – mit ungerechter Mehrbelastung für Unternehmen.

Ein Zitat aus dem Bericht bringt die Frustration auf den Punkt:

Wir for­dern eine ver­läss­li­che Po­li­tik auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne – über Le­gis­la­tur­pe­ri­oden hin­weg (!) – mit rea­lis­ti­schen Ziel­vor­stel­lun­gen so­wie ver­läss­li­chen, ein­fa­chen För­der­pro­gram­men. Lei­der ist die rea­le Po­li­tik das glat­te Ge­gen­teil...

Wohnungsgenossenschaft von 1904 e.G.

4. Der Realitätscheck: Zwischen Klimaneutralität und Insolvenz

Die größte Hürde ist lt. Bericht finanzieller Natur. Der Bericht spricht von einer systemischen Liquiditätskrise in der sozial orientierten Wohnungswirtschaft. Die Zahlen sind alarmierend:

Nur die Hälfte der Bestände kann bis 2045 aus eigener Kraft klimakonform entwickelt werden.

Selbst ein Minimalpfad erfordert 5,7 Mrd. € jährlich – mehr als doppelt so viel wie derzeit investiert wird (2,5 Mrd. €). Das Delta zur Warmmietenneutralität beträgt durchschnittlich 1,21 €/m² pro Jahr. Ein Unternehmen bringt die Schieflage prägnant auf den Punkt:

Wenn wir die 0 kg CO₂ ohne ex­ter­ne Hil­fe er­rei­chen wol­len, ent­steht durch hohe In­ves­ti­ti­ons­kos­ten und kon­ti­nu­ier­li­che Un­ter­de­ckung eine ex­or­bi­tan­te Li­qui­di­täts­lü­cke von bis zu 407 Mio. € in 2040.

gewobau Rüsselsheim

Diese Schieflage ist kein Marktversagen, sondern das Resultat der in Punkt 3 beschriebenen Fehlanreize: Regulatorische Friktionen verhindern die Investitionen, die sie eigentlich fördern sollen.

 

Fazit: Die Wärmewende braucht neue Spielregeln

Der Praxisbericht 2024/2025 zeigt ein klares Bild: Die Wohnungswirtschaft hat den Willen (Punkt 1) und das Wissen (Punkt 2), die Wärmewende umzusetzen. Doch Regulierungschaos (Punkt 3) und Finanzierungsdruck (Punkt 4) blockieren den Fortschritt.

Der Gebäudesektor steht an einem Wendepunkt. Ohne strukturelle Reformen droht nicht Klimaneutralität, sondern Marktverwerfung und das mit gravierenden Folgen für Klimaziele und soziale Stabilität.

Die entscheidende Frage lautet aus unserer Sicht daher: Wie kann die Politik jetzt die Weichen stellen, damit aus dem drohenden Kollaps eine sozial gerechte und wirtschaftliche Wärmewende wird?

Als Technologieanbieter und Wärmepartner steht PAUL genau an dieser Schnittstelle zwischen Klimaziel und Machbarkeit. Mit eigenentwickelter, skalierbarer Technik schafft PAUL die Grundlage für dekarbonisierte Wärmeversorgung. Und das schnell wirksam, wirtschaftlich und KI-gesteuert effizient. Denn: PAUL macht Immobilien grün und werthaltig.

 

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