Insights 08.05.2025
Solarpflicht: Großbritannien macht ernst beim Neubau
Marc Pion

Die britische Regierung hat beschlossen, dass ab 2027 alle neuen Wohnhäuser in England verpflichtend mit Solarpaneelen ausgestattet werden müssen. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu beschleunigen, Haushalte unabhängiger von fossilen Energiequellen zu machen und die Energiepreise zu stabilisieren. Dieser Schritt erfolgt im Rahmen einer neuen Bauverordnung, die künftig auch weitere energieeffiziente Standards für Neubauten festschreiben soll.
Politischer und energetischer Kontext
Bereits 2021 hatte die britische Regierung das Ziel formuliert, bis 2035 eine vollständig kohlenstofffreie Stromversorgung zu erreichen. Der Gebäudesektor – einer der größten CO₂-Emittenten – rückte dadurch verstärkt in den Fokus. Laut Daten des UK Department for Energy Security and Net Zero (DESNZ) verursachen Wohngebäude über 20 % der nationalen Emissionen, primär durch Heizung und Stromverbrauch.
Mit der neuen Regelung sollen ab 2027 etwa 300.000 Neubauten pro Jahr direkt mit Photovoltaik ausgestattet werden. Das entspricht einem jährlichen Zubau von über 1,5 GW installierter Leistung, basierend auf durchschnittlichen Anlagen von 5 kWp je Wohnhaus – ein erheblicher Beitrag zur nationalen Solarstrategie.
Vorteile für Haushalte und Stromnetz
Die Vorteile sind evident: Bewohner profitieren von langfristig sinkenden Stromkosten und einer höheren Energieunabhängigkeit. Gleichzeitig wird das Netz durch dezentrale Einspeisung entlastet – ein Aspekt, der mit der wachsenden Zahl an Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen immer wichtiger wird.
Zudem entsteht durch die verpflichtende Installation eine Skalierung der Lieferkette: sinkende Anlagenpreise, mehr Arbeitsplätze in Installation und Wartung, sowie standardisierte Prozesse im Bauwesen.
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Technologische und regulatorische Implikationen
Die Entscheidung folgt einem klaren Trend: Einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg, Berlin oder auch Länder wie die Niederlande, Frankreich, Japan und Kalifornien haben bereits ähnliche Regelungen eingeführt oder diskutieren sie. In Deutschland hingegen fehlt bislang eine flächendeckende PV-Pflicht auf Neubauten im Wohnbereich – trotz vorhandener Pilotprojekte.
Deutschland
- Berlin schreibt seit 2023 PV-Anlagen auf Neubauten und bei grundlegenden Dachsanierungen vor.
- Baden-Württemberg führte eine gestaffelte Pflicht ein (2022 für Nichtwohngebäude, 2023 für Wohngebäude).
- Erfolg: Der Zubau kleiner PV-Anlagen hat deutlich zugenommen. In Baden-Württemberg lag der Anteil installierter PV-Leistung 2023 fast 20 % über dem Vorjahr.
Frankreich
- Bereits 2015 verpflichtete Frankreich bei Neubauten von Geschäftsgebäuden zur Installation von PV oder Gründächern.
- 2023 wurde die Pflicht deutlich ausgeweitet: Neue Parkplätze mit mehr als 80 Stellplätzen müssen mit PV überdacht werden.
- Erfolg: Frankreichs Solarkapazität steigt kontinuierlich; 2023 wurde erstmals die Marke von 20 GW installierter PV-Leistung überschritten.
Kalifornien (USA)
- 2019 Einführung einer Solarpflicht für alle Neubauten von Einfamilienhäusern ab 2020.
- Seit 2023 gilt sie auch für Mehrfamilienhäuser bis zu drei Stockwerken.
- Erfolg: Der Anteil von Neubauten mit Solaranlagen stieg auf über 90 %, was zu einer kontinuierlichen Reduktion der emissionsintensiven Stromnachfrage beiträgt.
Japan (Tokyo)
- Ab 2025 müssen alle Neubauten mit Dachflächen über 20 m² im Raum Tokio mit Solaranlagen ausgestattet werden.
- Ziel: Verdopplung der installierten Solarkapazität in der Region bis 2030.
- Erwarteter CO₂-Einspareffekt: Mehrere Hunderttausend Tonnen jährlich.
Die britische Regierung kündigte parallel zur Solar-Pflicht auch verschärfte Vorgaben zur Gebäudedämmung, elektrischen Wärmeerzeugung und zur Infrastruktur für Elektromobilität an – ein Schritt in Richtung sektorenübergreifender Transformation.
Was bedeutet das für andere Märkte?
Die Maßnahme zeigt exemplarisch, wie politische Regulierung zum Hebel für beschleunigte Energiewende werden kann. Für Länder mit hoher Neubautätigkeit, wie Deutschland, bietet die britische Entscheidung eine Blaupause – insbesondere im Hinblick auf die Kombination von Pflicht und Förderung.
Ein Modell mit Signalwirkung
Die Solar-Pflicht in England ist mehr als nur ein technisches Update der Bauordnung – sie ist Ausdruck eines Paradigmenwechsels. Nachhaltigkeit wird zur Planungsgrundlage, nicht zur Option. Für politische Entscheidungsträger, Projektentwickler und Energieunternehmen zeigt sich einmal mehr: Mit der richtigen Weichenstellung wird die Energiewende bezahlbar und skalierbar.